SchUM-Stätten sind Weltkulturerbe
Die UNESCO hat am 27. Juli die mittelalterlichen SchUM-Stätten Speyer, Worms und Mainz zum Weltkulturerbe erklärt. Mit ihren einzigartigen Gemeindezentren, Monumenten und Friedhöfen sind sie besonders frühe und in einzigartiger Dichte und Vollständigkeit erhaltene Zeugnisse einer lebendigen jüdischen Tradition. Der Begriff „SchUM“ leitet sich von den Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen hebräischen Namen der drei Städte ab. „Wir freuen uns sehr über diese Entscheidung“, so Angelika Thonipara, geschäftsführende Pfarrerin im Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V.. „Wir gratulieren den jüdischen Gemeinden sowie den drei Städten und dem Land Rheinland-Pfalz zu dieser Auszeichnung und dem erfolgreichen Abschluss der Bemühungen um diese Würdigung.“
Mit der Auszeichnung als Weltkulturerbe wird ausdrücklich die kulturelle Leistung der jüdischen Gemeinden und ihre weitreichende Bedeutung für Mitteleuropa in den unterschiedlichsten Bereichen – von Architektur bis Philosophie und Theologie – gewürdigt. Gleichzeitig dokumentiert die Geschichte dieser Gemeinden auch die jahrhundertelangen Verfolgungen des europäischen Judentums von den Pogromen des Mittelalters bis zur Shoa. „Es ist wichtig, die jüdische Geschichte und Kultur in ihrer Komplexität zu erinnern und darauf hinzuweisen, wie sehr die Gesellschaft als Ganzes von den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern profitiert hat – aber auch, wie oft sie sich an ihnen versündigt hat“, so Thonipara.
Die jüngsten Ereignisse in Zusammenhang mit dem Aufflammen des Nahost-Konflikts vor wenigen Wochen und antisemitischen Narrativen in Corona-Verschwörungsmythen haben wieder deutlich vor Augen geführt, dass die Bedrohung für jüdische Menschen noch immer Realität ist. „Auch vor dem Hintergrund solcher Ereignisse macht diese Auszeichnung der UNESCO Mut, Anfeindungen überall entgegenzutreten, gerade als christliche Frauen und Männer, und sich an die Seite der jüdischen Gemeinden zu stellen“, so Angelika Thonipara.
Die SchUM-Stätten sind auch für die weibliche Geschichte des Judentums von großer Bedeutung: 1212/13 entstand in Worms die erste in Europa belegte Frauensynagoge, auch Frauenschul genannt. Dem Wormser Vorbild folgend wurden weitere solcher Bauten errichtet, so um 1250 auch in Speyer. Diese beiden frühen Frauensynagogen waren die größten Synagogen für Frauen nördlich der Alpen. Somit sind diese Stätten und die damit verbundene Geschichte und Tradition auch von besonderer Bedeutung für Frauen und dienen noch heute der Inspiration, unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit.
Patriarchalische Strukturen ziehen sich durch alle großen Religionen, hier bildet das Judentum keine Ausnahme. Trotzdem wurde, im Unterschied etwa zum Christentum, schon früh viel Wert auf die Bildung von Frauen und Mädchen gelegt. Gerade in der Errichtung eigener Synagogen für Frauen kam ihr hoher sozialer Status innerhalb der Gemeinden zum Ausdruck. Frauen waren gebildet und sich ihrer Rechte bewusst, sie hatten sogar eigene Vorbeterinnen. In all dem waren sie den meisten christlichen Frauen um mehrere Jahrhunderte voraus. Die Auseinandersetzung mit patriarchalischen Traditionen im Gottesdienst und Alltag war erst Ende Mai in der FrauenFachKonferenz des Verbandes Thema. Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg sprach hier von feministischen Entwicklungen im Judentum, von Regina Jonas, die 1935 als erste Frau Rabbinerin wurde und von weiblichen Gottesbezeichnungen.
„Wir hoffen, dass die Auszeichnung der SchUM-Stätten als UNESCO Weltkulturerbe in den kommenden Jahren das Interesse an der Geschichte und Gegenwart des jüdischen Lebens speziell in diesen Städten, aber auch allgemein in Deutschland fördert“, so Thonipara. „Möge diese Auszeichnung zu Bildung und Verständigung beitragen, dem Antisemitismus in unserem Land die Stirn bieten und das reiche Erbe aus 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland neu bewusst machen.“
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