Lieber sterben als anderen zur Last fallen?
- Bundestag spricht sich deutlich für Suizidprävention aus
- Assistierter Suizid weiter nicht gesetzlich geregelt
- Landesverband Evangelische Frauen in Hessen und Nassau fordert gesellschaftliche Debatte für eine zeitnahe Regelung
Frauen dürfen durch Normalisierung des Assistierten Suizids nicht unter Druck geratenNach langen politischen und gesellschaftlichen Debatten fand am 6. Juli im Bundestag die Abstimmung über zwei Gesetzesentwürfe zur Neuregelung des assistierten Suizids statt, nachdem das Bundesverfassungsgericht das ursprüngliche Gesetz 2020 gekippt hatte. Obwohl beide Entwürfen von zahlreichen Abgeordneten unterschiedlicher Parteien gemeinsam erarbeitet wurden, bekam im Parlament keiner von beiden die erforderliche Mehrheit.
Breite Unterstützung gab es hingegen für einen Antrag zur Stärkung der Suizidprävention. Über 99 Prozent der Abgeordneten stimmten für einen fraktionsübergreifenden Antrag zum Ausbau der Suizidprävention.
„Viele Suizide geschehen aus akuten Krisensituationen heraus. Daher begrüßen wir es sehr, dass die Politik die Präventionsarbeit in Zukunft stärker unterstützen will. Wenn bestehende Angebote abgesichert und ausgebaut werden und neue entstehen, können hoffentlich in Zukunft mehr Menschen in verzweifelten Situationen die Hilfe bekommen, die sie benötigen“, sagt Ursula Schmidt, Vorsitzende des Landesverbands Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V., in Reaktion auf die Entscheidung. „Dennoch bedauern wir, dass der assistierte Suizid weiterhin ungeregelt bleibt. Für viele persönlich und beruflich betroffene Menschen bedeutet das, die Unsicherheit dauert an. Die gesellschaftlich wichtige Diskussion dazu muss unbedingt weitergehen.“
Im Vorfeld der Abstimmung hatte es an beiden Entwürfen Kritik gegeben und zahlreiche Verbände und Fachgesellschaften hatten gefordert, dass vor einer Regelung des assistierten Suizids ein Ausbau der Suizidprävention stehen müsse. Schmidt wertet es als wichtigen Schritt, dass die Verbesserung der Prävention nun angestoßen wurde.
Frauen dürfen nicht unter Druck geraten
„Wir sehen zudem das Risiko, dass sich vor allem Frauen in Anbetracht von Altersarmut und Pflegenotstand dazu gedrängt sehen könnten, im Alter einen assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen,“ ergänzt Anja Schwier-Weinrich, geschäftsführende Pfarrerin im Verband. Bereits Anfang 2022 hatte sich der Landesverband in einem Fachgespräch mit verschiedenen Expertinnen zu der Frage ausgetauscht, ob und wie Frauen durch eine Normalisierung des assistierten Suizids besonders gefährdet wären. Denn Studien legen nahe, dass schon heute mehr Frauen als Männer die Möglichkeit des assistierten Suizids in Anspruch nehmen. „Nicht nur akuter Pflegenotstand, Altersarmut: bereits jetzt gibt es soziale Zwänge, die eine Entscheidung für den assistierten Suizid befördern“, so Schwier-Weinrich weiter. „Da für Frauen das Anderen-nicht-zur-Last-Fallen eine hohe Priorität hat, steht zu befürchten, dass mit einer gesellschaftlichen Anerkennung des assistierten Suizids gerade ärmere Frauen sich dieser Möglichkeit bedienen werden. Das darf nicht passieren.“
Mit Blick auf die aktuelle Debatte betont Schwier-Weinrich: „Wir unterstützen die freie Entscheidungsfähigkeit aller Menschen. Aber als Menschen existieren wir aufgrund unserer Einbindung in Familie und Gesellschaft nicht frei von Beziehungen zu anderen. Der Wert eines Menschen ist nicht mit den Maßstäben unserer modernen Arbeitsgesellschaft zu messen. Es wäre ein wichtiger Schritt für die Suizidprävention, besonders auch im Alter, wenn wir den Wert eines Menschen weniger über die Leistungsfähigkeit definieren.“
Es sei wichtig, die im Urteil des Bundesgerichtshofs enthaltene Freiheit der Selbstbestimmung immer wieder dahingehend zu prüfen, ob sie in Konsequenz den gesellschaftlichen Druck für nicht mehr leistungsfähige Menschen erhöht, fasst Schwier-Weinrich die zukünftige Aufgabe des Landesverbands zusammen.
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